Menschen machen Fehler und Fehler können Unfälle verursachen.
Ein gängiger organisatorischer Ansatz liegt darin, nach Fehlern zu suchen, die verantwortliche Person zu ermitteln und diese zu bestrafen. Dieser strafende Ansatz löst jedoch das Problem nicht. Organisationen sind Systeme, die von Menschen geschaffen wurden. Menschen zu bestrafen, ohne das System zu ändern löst das Problem nicht.
Es besteht die Notwendigkeit, aus Unfällen zu lernen und aus Analysen geeignete, vorbeugende Maßnahmen abzuleiten, um die Wiederholung solcher Ereignisse zu verhindern. Wir brauchen eine „gerechte Kultur“, d.h. eine Atmosphäre des Vertrauens, in der die Menschen ermutigt und belohnt werden, wenn sie Geschehnisse aufdecken, die sicherheitsrelevant sind.
Bedeutend ist jedoch auch sich über die Grenzen zwischen akzeptablem und inakzeptablem Verhalten im Klaren zu sein. Die meisten Menschen wünschen sich ein gewisses Maß an Verantwortlichkeit, wenn ein Missgeschick passiert.
Just Culture – James Reason (1997, Managing the risks of organizational accidents, Ashgate Publishing) definiert diesen Begriff wie folgt: „…an atmosphere of trust in which people are encouraged, even rewarded, for providing essential safety-related information, but in which they are also clear about where the line must be drawn between acceptable and uncacceptable behavior.“
Heute habe ich eine Buchempfehlung für alle, die sich für die wissenschaftlichen Grundlagen psychologischer Sicherheit interessieren und auch in ihrer Organisation die Voraussetzungen für eine bessere Fehler- und Vertrauenskultur schaffen möchten.
In unserer sich schnell ändernden Arbeitswelt ist Umgang mit Komplexität, Zeitdruck und Unsicherheit oft eine Herausforderung für die Führungskräfte und Teams. Klare Kommunikation sowie schnelle und gute Entscheidungsfindung setzen konstruktive Fehler- und Vertrauenskultur voraus. Gelingt das, ist flexibles Arbeiten möglich. Die wesentliche Grundlage hierfür ist die Haltung der gesamten Organisation und entsprechend der Kultur, die vorgelebt und gelebt wird. Fehler lassen sich nicht vollständig vermeiden. Die Unterscheidung, ob Fehler personen- oder systembedingte Auslöser hatten ist bedeutend für die Erarbeitung der Maßnahmen, damit alle Faktoren mit ihrem Kontext berücksichtig werden. Die Frage nach WODURCH Fehler verursacht wurden und WIE er zu vermeiden ist, ist somit zentral. Erstmal ist jedoch zu klären, was ein Fehler ist. Eine allgemeine Definition gibt es bislang nicht. Prof. Dr. Rascher macht in Ihrem Buch folgende Abgrenzung (Just Culture, 2019, S. Rascher, S. 15, 16):
- „Bei Fehlern geht es immer um menschliches Handeln, und nicht um technische Störungen. Maschinen machen keine Fehler. Sie können nur ungünstig konstruiert, falsch programmiert, schlecht verwendet oder schlicht defekt sein.“
- Der Fehler kann sowohl im Handlungsprozess wie im Handlungsergebnis Das heißt, ein und dieselbe Handlung können je nach den Rahmenbedingungen einer Situation ganz unterschiedliche Konsequenzen und Fehler hervorrufen.
- Im Gegensatz zum Irrtum, bei dem das nötige Wissen und Können zu einer richtigen Handlungsausführung nicht verfügbar war, setzten Fehler eine Absicht (Intention) voraus, die nicht wie geplant ausgeführt wird (vgl. Weimer, 1925).“
- Was ein Fehler ist, wird anhand einer Zielkriteriums entscheiden. Damit setzt die Bezeichnung eines Fehlers immer eine subjektive Bewertung
Nur wenn man versteht, weshalb ein Fehler gemacht wurde, kann man ihn genauer analysieren und Möglichkeiten entwickeln, ihn zukünftig vorzubeugen. Eine offene und ehrliche Berichterstattung ist somit notwendig. Eine gerechte Kultur erfordert Systemgestaltung und Management der Verhaltensentscheidungen aller Mitarbeiter.
Einige Branchen, wie zum Beispiel Luftfahrt, Schienenverkehr und Kernenergie gelten als höchst zuverlässig und sicher. Dennoch sind auch hier Beispiele für Fehler, Misserfolge und Unfälle zu finden. Die Analysen solcher Situationen sind aufschlussreich über menschliches Verhalten in komplexen Systemen.
Auf lange Sicht profitiert somit das Unternehmen von Just Culture: Nur so kann die Führung wissen, was in dem Unternehmen passiert und wie gut die Führungskräfte und Mitarbeiter anspruchsvolle Aufgaben wahrnehmen und mit Verbesserungen umgehen, indem sie Schwachstellen offenlegen und besprechen.
Meiner geschätzten Kollegin aus der HAM, Prof. Dr. Stephanie Rascher, ist es in ihrem Buch sehr gut gelungen, die Quintessenz der Just Culture und ihrer Bedeutung für Organisationen wissenschaftlich fundiert und praxisnah zu beleuchten. Am Beispiel der Luftfahrt beschreibt sie, was Organisationen in der Wirtschaft oder Medizin für den Umgang mit hoher Komplexität, Unsicherheit und Zeitdruck lernen können. Sie zeigt zusätzlich die Bedeutung einer fehlerfreundlichen Kultur des Vertrauens für Innovationen und schnelles Lernen in Unternehmen auf. Besonders hilfreich ist die detaillierte Definition verschiedener Fehlertypen als Grundlage für eine konstruktive Fehlerkultur.
Die klare Struktur des Buches hilft dem Leser, sich schnell in die wichtigsten Begriffe und Zusammenhänge einzulesen. Sehr hilfreich für den Praxistransfer sind die Einflussmöglichkeiten der Führungskräfte pro Führungsstil. Die abschließende Zusammenfassung der relevanten Faktoren einer konstruktiven Fehler- und Vertrauenskultur kann als Leitfaden der praktischen Umsetzung in Organisationen dienen.
Mein Fazit: Das Buch ist anschaulich, lehrreich und sehr empfehlenswert.
Möchten Sie in Ihrem Geschäftsumfeld Entscheidungsprozesse auf höheres Niveau bringen? …kluge Entscheidungen treffen, mit Kopf und Bauch? …oder Handlungsoptionen mit einem Sparring-Partner erarbeiten?
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Autor: Dr. Eugenia Schmitt MBR
www.systemische-beratung-schmitt.de