Aktives Zuhören – diese Art von Zuhören ist wohl jedem bekannt. Sie gilt als der ultimative Schlüssel zum Erfolg. Es sollte immer aktiv zugehört werden, höre ich oft.
Aber passt es tatsächlich immer? Ich diskutierte es in der Lehrveranstaltung auch diesmal mit meinen Studenten… ich stellte wieder fest, dass dieses Thema aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet werden und durchaus auch kritisch hinterfragt werden muss. Und noch mehr: Bewusstsein darüber ist wichtig, wann diese Methode hilfreich ist und wann nicht. Dieser und nächster Post wird somit dem Zuhören gewidmet.
Es geht hierbei nicht nur um zu verstehen, was der Andere sagt, sondern wie er spricht und wie er sich verhält. Gefühle, Hoffnungen und Wünsche werden oft nicht direkt ausgesprochen, nonverbal sind sie jedoch unterwegs. Der Empfänger der Nachricht sollte sich durch Nachfragen vergewissern, ob er die Aussage des Senders richtig verstand – Paraphrasieren sollte er, d.h. in eigenen Worten das Gesagte wiederholen, heißt es oft. Nur wie soll es passieren, damit sich der Partner nicht nachgeäfft fühlt? Der Empfänger sollte nicht die ganze Aussage wiederholen, sondern in eigene Worte fassen, was gefühlsmäßig mitschwingt. Damit teilt er mit, dass er die Empfindungen des Senders aufgenommen hat. Das kann in passenden Situationen erleichternd und erlösend wirken.
Ich machte eine Erfahrung damit, wenn meine Tochter vor vielen Jahren von ihrem Laufrad fiel – just auf den Randstein, Knie war blutig…mir hat es auch weh getan…ich hatte zu tun, meine eigenen Gefühle im Schach zu halten…ich wollte bei ihr bleiben, nicht bei mir… Die alten Muster haben sich vorgedrängt, wie: „Ein Indianer kennt kein Schmerz…“ – das wäre weniger hilfreich, nicht wahr? Ich erinnerte mich an mein Kommunikationsseminar, drückte sie und sagte, „…Du hast Dich ja arg erschrocken…und dann auch noch Dein Knie…das tut sicher sehr weh…“ Sie schaute mich an, mit feuchten Augen und meinte, „…ja, wenn wir Pflaster drauf machen, ist es bald wieder weg, oder?“
Ich war erstaunt, dass aktiv zuzuhören in diesem Fall so gut funktionierte…es lenkte die Perspektive um.
Aktives Zuhören ist somit ein Mittel, um Vertrauen und Verbundenheit zu schaffen, es kann zum Perspektivenwechsel beitragen.
So gut diese Art des Zuhörens auch sein mag, muss der Kontext geeignet sein und sie soll gut geübt sein. Sonst droht die Gefahr, dass sich der Gesprächspartner nicht nur nachgeäfft fühlt, sondern auch ausgefragt oder manipuliert. Wendet der Empfänger das aktive Zuhören so, dass er/sie „den Ball“ ständig bei dem Sender belässt, vermeidet er/sie persönliche Stellungnahme und hält sich aus der Situation heraus. Das kann zum Machtkampf und Enttäuschung führen. Zum Beispiel:
Angenommen, ihr Kollege hat zu einem Thema Vorschlag gemacht, an dem er recht lange arbeitete…Dann bekommt er von seinem Kollegen zu hören:
„…Ihr Vorschlag ist bei der aktuellen Marktlage völlig unrealistisch…“
Wie reagiert ein Mensch auf sowas üblicherweise? …in etwa so, nicht wahr?
„…wenn Sie sich mal Mühe machen würden und es nachrechnen, würden Sie sehen…“
Was ist die Konsequenz? Unmut, Konflikt…
Wenn sich aber jemand mit den Interessen des Gesprächspartners befasst, geht auf das ein, wie es dieser eigentlich meint, wie sind die Hintergründe und was dieser über sich äußerte:
„…das erscheint Ihnen gerade abwegig, nicht wahr?“
Die Wahrscheinlichkeit wird hierbei groß, dass der Gesprächspartner eine Erklärung anhängt.
Was ist hier die Konsequenz? Ein Offener Weg zur persönlichen Stellungnahme, die aber erst NACH der Klärung der fremden Äußerung erfolgt.
Voraussetzung für aktives Zuhören ist eine Situation, in der ein echter emotionaler Schwerpunkt vorhanden ist, sonst wirkt die Methode lächerlich und richtet mehr Schaden als Gutes.
Schlimm wird es, wenn ein „falsches“ aktives Zuhören im Gespräch auf die Ebene der Selbstmitteilung des Gesprächspartners angewendet wird. Wendet der Empfänger das aktive Zuhören so, dass er/sie „den Ball“ ständig bei dem Sender belässt, vermeidet er/sie persönliche Stellungnahme und hält sich aus der Situation heraus. Machtkampf und Enttäuschung sind hier vorprogrammiert. Nehmen wir an, Sie sind sauer, weil Sie Ihr Bekannter sehr lange warten ließ. Nachdem er endlich kommt, sagen Sie vorwurfsvoll:
„…sagmal was denkst Du Dir dabei mich so lange hier stehen zu lassen…konntest mal zumindest anrufen…“
Wie wirkt es auf Sie, wenn jedoch dieser in aller Ruhe antwortet:
„…mit sowas kannst Du nicht umgehen…“
Sauer? …wahrscheinlich ja…Wie antworten Sie darauf? Möglicherweise so:
„…lass Dein Psycho-Gelabere!!“
Und wenn er in aller Ruhe erwidert:
„…sowas macht Dich hilflos…“
…wie fühlen Sie sich dann? Nicht gut, nicht wahr? Besser wäre es, wenn er sagen würde:
„ich verstehe, dass Du jetzt sauer bist. Es würde mir auch so gehen.“ Dann die Situation klären.
Aktives Zuhören wirdt, richtig angewendet, nützlich und gesprächsfördernd, klärend und erleichternd. Es will trainiert werden. Und es kann trainiert werden.
Was aber tun, wenn es auch in nicht emotionsbeladenen Situation Klärung nötig ist? In Situationen, in den es um z.B. Detailverstehen geht?
Nach Prof. Weisbach und Dr. Sonne-Neubacher ist das umschreibende Zuhören, das nach ähnlichem Schema verläuft, die passende Lösung. Der Empfänger wiederholt was er verstanden hat – mit eigenen Worten. Es geht es darum, den Kerngedanken in eigene Worte zu fassen und sich vergewissern, ob dieser zutrifft. Eine Bereitschaft über das Thema zu sprechen ist hier notwendige Voraussetzung.
Es geht um genaues Verstehen der Ansichten und der Einstellung des Gesprächspartners. Es fördert das Gespräch und ermöglicht selbst für sehr verwickelte Sachverhalte gleiches Verständnis zwischen den Beteiligten herzustellen. Es ist die beste Möglichkeit, um Missverständnisse zu vermeiden. Große Schwierigkeit hierbei ist, sich mit eigenen Ratschlägen, Meinungen und Bewertungen zurückzuhalten.
Unsere Aufnahmekapazität ist deutlich höher, als die Sprechgeschwindigkeit (cca 200 Wörter/Min. wenn es schnell geht.) Somit sind wir während der Andere spricht, mit eigenen Gedanken beschäftigt, die i.d.R. für uns viel interessanter sind.
Folgende Formulierungen können helfen, gut umschreibend zuzuhören: „Ich habe jetzt verstanden, dass…“, „Was Du sagtest fasse ich so auf:…“, „Du meinst, wenn…“
Wie sieht es im virtuellen Kontext aus? Hier kann die Körpersprache nur sehr eingeschränkt beobachtet werden. Die Stimme, das Tempo und der Atem verraten oft, wie sich unser Gegenüber fühlt. Der Empfänger kann solche Signale aufgreifen und seine Wahrnehmung offenlegen.
Das Aufstellen von Regeln ist hier auch ein sinnvolles Mittel, um im virtuellen Kontext diese Art von Zuhören zu praktizieren. Die Regel lautet: niemand, darf antworten oder eigene Meinung äußern, bis er das Gesagte in eigenen Worten zusammengefasst hat und sich bei dem Sender vergewissert hat, ob dies so stimmt. Diese Regel erzwingt das umschreibende Zuhören.
Professionelles Zuhören trägt nicht nur zur Transparenz der Situation bei, es ist auch ein Zeichen der Wertschätzung und trägt zum guten Arbeitsklima bei. Es ist eine wichtige Führungskompetenz.
Interessiert auf mehr? …schreiben Sie mir oder rufen Sie mich an: 089-159 19 326.
Eine Antwort
Ich habe keine guten Erfahrungen gemacht mit dem aktiven Zuhören. Ich erkenne sehr schnell, wenn jemand diese Technik bei mir anwendet und bin dann frustriert. In Gesprächen veruche ich,
eine Lösung finden. Da bin ich dankbar um neuen Input, neue Ideen und die eigene Meinung des Zuhörers. Sogar dann, wenn mir die Aussage im Moment gar nicht gefällt. Auch eine unangenehme Wahrheit kann mich weiterbringen. Was bringt es mir, wenn der Zuhörer meine Gefühle mit eigenen Worten wiedergibt? Ich weiss ja selber, was ich empfinde und muss dies nicht nochmals vom Zuhörer vorgesagt bekommen.
Es stört auch mich, wenn „der Ball“ ständig beim Sender bleibt. So wird der Empfänger einfach zu einem Gefäss für den Sender. Und nicht zu einem wirklichen Gesprächsteilnehmer mit eigener Meinung. Es gibt „Sender“, denen das sehr gut gefällt. Aber ein wirkliches Gespräch ist das nicht.
Ich habe das aktive Zuhören auch selber praktiziert. Leider gefiel das manchen Gesprächspartnern so gut, dass ich stundenlange vollgelabert wurde. Mein aktives Zuhören half den Personen keineswegs, eine eigene Lösung zu finden. Mein aktives Zuhören entlastete die Gesprächspartner kurzfristig, so dass es für sie weniger dringend war, eine Lösung für ihr Problem zu finden. Leider ist die Erleichterung nur kurzfristig, so dass sie sehr bald eine Wiederholung dieser Wohltat wünschten. So lange, bis ich wirklich nicht mehr konnte und den Kontakt abbrach…