Value Investing: Anlagestrategie mit guten Erfolgsaussichten

Value Investing: Anlagestrategie mit guten Erfolgsaussichten

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In turbulenten Zeiten mit unvorhersehbaren Folgen durch Bre­xit, Präsidentenwahlen in den USA oder Corona-Pandemie stehen Privatin­vestoren vor schwierigen Aufgaben. Aktienmärkte unter starken psychologischen Einflüssen sowie Schwankungen und sind heute noch schwe­rer vorhersehbar als früher.

Allein durch die Unsicherheit infolge von Corona ist der Dax zeitweise um über 22 Prozent eingebrochen (s. Abb. 1.) Aktiengewinne mehrerer Jahre waren auf einen Schlag weg und Kursverluste größer als in der Finanzkrise 2008.

Alternative für Investoren waren in der Vergangenheit Zinsen auf Fest­geldkonten oder sichere Staatsanleihen. Beide sind im Prinzip risiko­arme Anla­gen, um Gewinne zu erzielen. Die Niedrigzinspolitik der No­tenban­ken macht diese Alternative für Investoren jedoch unattraktiv, weil die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins seit März 2016 sukzessive auf null Prozent gesenkt hat.

Der Einlagenzins, zu dem Banken und Institute ihr Kapital bei der EZB „parken“ können, ist auf minus 0,5 Prozent gesunken. Die ursprünglich für Mitte 2020 angekündigten Zinserhöhungen sind entfallen. Für einen Privatinvestor stellt sich somit die Frage, welche Anlagetitel und Strategien in der aktuellen wirtschaftlichen Situation noch nachhal­tig erfolgreich sein können.

VI ist eine der Anlagestrategien, die möglich sein könnte. Es hat an den Finanzmärkten eine lange Tradition und wird Benjamin Graham sowie David Dodd zugeschrieben. Beide Herren haben in den späten 1920er Jahren in profitable, aber unterbewertete Titel investiert.

Im vergangenen Jahrhundert war diese Investitionsart ein bedeu­ten­der Teil des Aktieninvestments. Heute ist sie teilweise umstritten, weil sich das Performancemuster für VI in den vergangenen Jahren verändert hat.

Der Hauptmotivationstreiber für Privatanleger, diese Strategie überhaupt anzuwenden, dürfte aktuell die Zinspolitik der EZB sein. Man kann nämlich davon ausgehen, dass sich die aktuelle Zinslage in den kommenden Jahren kaum verändern wird und somit Spareinlagen auf Tagesgeldkonten beständig an Wert verlieren.

Weiterhin resultiert eine langfristige Kapitalsteigerung aus der fundamen­talen Bewertung von Unternehmen und dem damit verbunde­nen reellen Wert. Die jährliche Dividendenausschüttung kann zudem ein schönes zusätzli­ches passives Einkommen generieren. Der Privatinvestor steht damit vor folgenden Fragen:

  • Sind Anlagen in Aktien generell ein Schlüssel zum Erfolg?
  • Nach welchen Qualitätskriterien und nach welchem Prinzip werden potenzielle Wertpapiere ausgewählt?
  • Ist die Rendite der Aktien im Vergleich zu klassischen Anlage­strategien besser?
  • Ist Value Investing die richtige Strategie?
  • Wenn ja, welchen Mehrwert bietet sie?
  • Über welchen Anlagehorizont lassen sich die meisten Effekte im Vergleich zu klassischen Anlageklassen erzielen?

Doch welche Chancen bietet Value Investing im Hinblick auf diese Ausgangs­fragen heute? Und welche Risiken – vor allem mit Blick auf die Zinspolitik – sind zu beachten?

Ansatz des Value Investing

Zu klären ist zunächst, was überhaupt ein „Wert“ ist? Im Allgemeinen wird er in diesem Kontext als Rendite eines Assets verstanden, das „günstig“ (value) erscheint und im Durchschnitt Assets übertrifft, die als „teuer“ (glamour) gelten (vgl. Baruch, Srivastava, 03/2020).

Die Prämie ist dann die Rendite, die aus dem Kauf des günstigen Assets bzw. seiner Übergewichtung relativ zur Benchmark und des Verkaufs des teueren resultiert. Die Existenz einer solchen „Value“-Prämie ist ein etabliertes, empirisch belegtes Faktum.

Vater des Value Investing und somit der gesamten Anlagestrategie ist Benjamin, der auch Mentor des US-amerikanischen Starinvestors Warren Buffett war. Kerngedanke seiner Lehre ist, dass ein Investor nur in Aktien solcher Unternehmen investieren soll, deren aktueller Börsenwert im Vergleich zu ihrem Langzeitwert günstig ist.

Laut Graham ist die Differenz des Nettowerts eines Unternehmens und des Eigenkapitals die Sicherheitsmarge, die ein Investor bei dem jewei­ligen Investment hat. Es wird vereinfacht gesagt hauptsächlich in den reinen Wert des Unternehmens investiert.

Buffett, oft als „Value Investor“ bezeichnet, hat Grahams Investitionsme­tho­de weiterentwickelt und seine Philosophie auf verschiedene Aktien, die er zuvor gründlich untersucht und lange im Portfolio gehalten hat, angewendet. Von ihm stammen zwei grundlegende Regeln für ein künf­tiges Investment:

  1. Bei einem Investment sollte man auf lange Sicht auf keinen Fall Geld verlieren.
  2. Man sollte niemals Regel Nummer 1 vergessen.

Somit ist die Sicherheitsmarge bei einem Investment nach Buffett und Graham von entscheidender Bedeutung. Befolgt man die Grundsätze, reduziert sich das Verlustrisiko eines Investments auf ein Minimum.

Der Sicherheitsabschlag sollte laut Buffett mindestens ein Drittel des Nettowerts des Unternehmens betragen und diesen nicht unterschreiten. In der Praxis bedeutet das: Hat ein Unternehmen einen Nettowert von zehn Millionen Euro und eine Million Aktien ausgegeben, darf deren Wert nicht über 6,66 Euro pro Stück liegen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist laut Buffett, ein Unternehmen unter den Gesichtspunkten Stellung am Markt, Produkte, Unternehmens­geschichte sowie Zukunftschancen zu betrachten. Im nächsten Schritt erfolgt des­halb eine Einschätzung auf Basis definierter Kennzahlen, um sich einen Überblick über die Aktienqualität zu verschaffen.

Kennzahlen des Value Investing

Die nachfolgende Auflistung nennt die wichtigsten Kriterien, nach denen ein Value Investor seine Investitionen in ein Unternehmen aussuchen sollte:

  • Alleinstellungsmerkmal der Produkte
  • nachhaltiges und langfristiges Konzept
  • keine Verluste in den vergangenen zehn Jahren
  • fortlaufende Dividendenzahlung in den vergangenen 20 Jahren
  • große Marktkapitalisierung (keine Anfälligkeit für kleinere Schwierig­keiten)
  • zweimal so großes Umlaufvermögen wie kurzfristige Verbindlich­keiten
  • Verschuldungsgrad bei maximal 50 Prozent
  • Kurs-Buchwert-Verhältnis von maximal 1,5
  • Gewinnwachstum von jährlich mindestens 33 Prozent über zehn Jahre.

Weiterhin gibt es qualitative Merkmale, die für Buffett wichtiger Bestand­teil einer jeden Wertpapieranalyse sind:

Wirtschaftliche Realität
Hier sind Markenrechte, Managementerfahrung und vor allem vorhan­dene Patente relevant. Das Hauptaugenmerk wird direkt auf das Kern­geschäft des Unternehmens gerichtet. Entscheidend ist seine Fähigkeit, mit seinem Geschäftsmodell künftig einen Mehrwert gene­rieren zu kön­nen.

Alternativen auf dem Markt
Buffett zufolge ist der Vergleich am Markt ein äußerst wichtiger Maßstab für die Unternehmensleistung.

Wertgenerierung
In dieser Kategorie werden die künftigen Kapitalrückflüsse der jeweiligen Investments berücksichtigt. Geprüft wird, welchen Barwert das Zielunter­nehmen hat. Hauptmerkmal der Betrachtung ist die Volatilität des Wert­pa­piers. Sie zeigt, ob es sich um einen hohen oder niedrigen Preis im Verhältnis zum Buchwert handelt. An diesem Punkt ist die Discount-Cashflow-Berechnung ein wichtiges Instrument, denn sie gibt an, ob das Investment mit Blick auf den Buchwert günstig ist.

Leistung des inneren Werts
Ein wesentlicher Aspekt des Value Investment ist Erfolg auf lange Sicht. Den jährlichen Gewinn zu steigern, steht dabei an erster Stelle. Die Kapi­tal­kosten werden analysiert, um die Wertschöpfung des Unternehmens zu messen. Die Rentabilität des inneren Werts steigt parallel zum Markt­wert sowie wirtschaftlichen Gewinn des Unternehmens.

Abschlags- und Risikoraten
In dieser Anlagestrategie sollte der Investor Assets zu einem „Discount-Preis“ erwerben. Der Discount-Satz ist der Unterschied zwischen dem aktuellen Aktienkurs und dem inneren Wert des Unternehmens. Dahinter verbirgt sich der Gedanke, dass die Börse oft stark schwan­kt und sich Kurse abrupt ändern können – der Aktienkurs jedoch bei einer langen Anlagedauer in Richtung des inneren Werts tendiert. Durch die Sicherheitsmarge reduziert sich somit das Investmentrisiko.

Risikoverteilung
Laut Buffett sollte ein Investor ausschließlich in ein Unternehmen mit einem Geschäftsmodell investieren, das er versteht, und diesem dann für einen längeren Zeithorizont treu bleiben.

Investitionsentscheidung anhand von Analysen und mit Selbstdisziplin
Informationen über Unternehmen und Marktlage sind die Entschei­dungs­grund­lage und sollten immer im Vordergrund stehen. Denn durch die starke Irrationalität des Aktienmarkts – im Vergleich zum inneren Wert des Unternehmens – trifft ein Investor, der sich stark von Emotionen leiten lässt, oft falsche Entscheidungen. Hinzu kommt, dass der Aktienmarkt mitunter von Angst und Gier geprägt ist, die Auslöser dafür sind, über Angebot und Nachfrage Aktienkurse zu manipulieren. Jedoch setzt sich, so Buffet, bei einem langfristigen Anla­ge­­horizont der wirt­schaftliche Erfolg des Unternehmens durch und der Kurs nähert sich dem Buchwert an.

Eigentümer und Manager
Buffett glaubt, dass Wertpapiere nur dann gekauft werden sollten, wenn man an das amtierende Management und die Visionen – vor allem Zu­kunftspläne – glaubt und das Unternehmen zukunftssicher aufgestellt zu sein scheint.

Kontroverse Meinungen zu Value Investing

Ist Value Investing somit effizient? Warum stellt sich diese Frage über­haupt, hatten „Value“-Aktien doch im vergangenen Jahrhundert ein Rendite-Risiko-Verhältnis, das überdurchschnittlich war. Die VI-Effizienz haben Forscher über mehrere Märkte und Assetklassen gezeigt (vgl. Rosenberg et. al. (1985), Asness et. al., 2013).

Seit etwa 2014 zeigt sich allerdings, dass die Performance solcher Strate­gien auf dem Aktienmarkt stagniert bzw. nachgelassen hat. Die Jahre 2018 und 2019 waren jedoch generell für Anlagestrategien ungünstig.

Den Aktienmarkt dominieren vor allem US-amerikani­sche Technologie­aktien, die bis heute extrem wachstumsstark sind. Weiterhin waren Dividendenaktien gefragt. Passives Investieren (z. B. über ETFs) hat diesen Hype ebenfalls verstärkt.

Viele Wissenschaftler und Praktiker fragen sich nun, ob diese Strategie nicht mehr funktioniert, weil sie bereits „jeder kennt“ oder sich der wirtschaft­liche Kontext nach Finanzkrise und Niedrigzins funda­men­tal von dem in den Jahren zuvor unterscheidet.

Ist in der aktuellen Situation diese Investmentmethode also noch eine gute Anlagealternative oder ist Value Investing vielmehr tot? Vor allem die beiden Forscher Ken French und Nobelpreisträger Eugene Fama haben versucht, diese Frage zu beantworten.

Sie konnten zeigen, dass Value-Aktien langfristig besser abschneiden als große und relativ teure Assets. Sie haben aber auch herausgefun­den, dass es in der Vergan­­genheit immer wieder Perioden gab, in denen Value Investing keine guten Ergebnisse geliefert hat. Immer wieder kam es jedoch zu ihrem Aufschwung.

Bereits 1992 haben French und Fama in einer Studie Ergebnisse publi­ziert, die dieses Phänomen bestätigen. Untersucht haben sie darin die Überrendite von Value-Aktien zwischen 1963 und 1991. Die beiden Wirtschaftsexperten haben festgestellt, dass sie bei einem ziemlich hohen Wert von 4,9 Prozent pro Jahr lag (Fama, French, 1992).

Allerdings ist sie zwischen 1991 und 2019 auf 1,17 Prozent pro Jahr gesunken. Ihrem Artikel aus 2020 zufolge konnte keine signi­fikante Veränderung der „Value“-Prämie ermittelt werden. Der Value Investor bekommt Rendite, die eine Kompensation darstellt für:

  • Fehler, die aus einer falschen Erwartung bei den Fundamental­daten resultieren.
  • Kauf von Aktien, die in einer nicht diversifizierbaren Risikoquelle exponiert und dadurch günstig sind.
  • Prämie für Investoren, die bereit sind, zu viel für Wachstum zu zahlen oder Wert zu vermeiden (vgl. Israel et. al., 03/2020, S. 3.).

Dennoch haben die Value-Aktien in den vergangenen drei Jahren eine schlechtere Rendite gehabt als der Markt. Das wirft die Frage auf, ob sie künftig vielleicht doch eine höhere Rendite liefern könnten.

Fama und French haben durch ihre Forschung gezeigt, dass Value-Ak­tien im Zeitverlauf zu höheren Renditen führen. Der Grund sind höhe­re systematische Risiken wie höhere Verschuldung, operative Probleme oder unsichere Gewinnerwartungen.

Da jedoch höheres Risiko mit höherer Rendite entschädigt wird, ist es realistisch zu erwarten, dass die Überrendite von Value-Aktien stärker sein wird als bei den anderen Aktien.

Das interessante Phänomen von Schwächephasen der Value-Aktien-Renditen ist jeweils in Zeiten technologischer Revolutionen aufgetreten (vgl. Meredith (2019). Aktuell ist die Zeit der fünften technologischen Revolution laut Meredith am Ende ihres Zyklus. Das erklärt historisch die schwache Renditeentwicklung.

Israel hat gemeinsam mit anderen Autoren (2020) ebenfalls keine empirische Evidenz gefunden, die die Kritikpunkte am Value Investment (z. B. zu große Menge an Aktienrückkäufen, Bedeutung von Vermögens­werten, Zinsniveau oder Kennzahlen wie KBV, die nicht für größere Aktien funktionieren würden) bestätigen.

Ungeklärt bleibt aber, wieso während der vergangenen Dekade Value- Aktien nicht mehr so gut performt haben. Im Artikel „Is (systemic) Value dead?“ hat das zuvor genannte Team den Spread zwischen den am günstigsten und am teuersten bewerteten Aktien in der Zeitspanne von 1967 bis 2020 analysiert.

Je größer der Spread ist, so ihr Ergebnis, desto günstiger sind Value-Aktien gegenüber dem historischen Durchschnittswert und umgekehrt. Sie ziehen dazu verschiedene Kriterien und ihre Kombinationen heran (z. B. KBV, KGV oder KGVe) und vergleichen sie innerhalb einer Branche sowie unter Ausschluss bestimmter Faktoren (z. B. größte Unternehmen oder teuerste Aktien). Beobachtet haben sie ebenfalls die Zeit mit und ohne die sogenannte „Dotcom“-Blase.

Die Ergebnisse sind ähnlich: Der Spread zeigt, dass die Value-Aktien günstig bewertet sind im Vergleich zur Historie, denn in rund 95 Prozent der gemessenen Zeitpunkte waren sie teurer als heute.

Wird Value Investing jedoch als wertorientiertes Investieren verstanden, das heißt Investieren in Unternehmen, die gute Qualität haben, geht es vielmehr um die Philosophie und weniger um Kennzahlen wie KGV.

Vergleich: Berkshire Hathaway-Aktien- mit einem Index-Fond

Viele vergleichen die Performance von Buffets Berkshire Hathaway-Aktie (BRK) mit der Performance von Indizes wie S&P500 oder Nasdaq. In der Abbildung 2 sind die Kursverläufe im Vergleich dargestellt. Seine Perfor­mance war hervorragend. Bleibt also die Frage, ob das reiner Zufall war. Dieser Ansicht widersprechen verschiedene Fakten:

  • Buffet setzt Fremdkapital ein (Leverage). Die Leverage-Kosten sind im Gegensatz zu einem Index-Fond niedrig.
  • Der Manager ist ein konsequenter, systematischer Value Investor. Jedoch war diese Strategie in der vergangenen Dekade nicht so angesagt wie in den vorherigen Jahren. Somit ist auch dabei ein Vergleich schwierig.
  • Er hat ein breit diversifiziertes Konglomerat von mehr als 80 Unternehmen und führt genaue Unternehmensanalysen durch.
  • Buffet verfolgt die „Buy-and-hold“-Strategie und fokussiert sich dabei auf langfristige Anlagen.

Value Investing als Auslaufmodell?

Yann Kalkofen: „Für VI-Investoren ist von Vorteil, dass sie durch ihre Fundamentalanalyse die Unternehmen, die durch EZB-Finanzspritzen nachhaltig profitieren, herausfiltern können und somit langfristig profitieren.“

Bedeutender Vorteil des Value Investing ist, dass es einfach zu verste­hen ist. Es umzusetzen, ist da schon schwieriger. In Niedrigzins­zeiten wie aktuell hat es für Privatanleger jedoch einige Vorteile, die Fonds­manager Yann Kalkofen im Interview mit dem Autor für seine Masterar­beit beschrieben hat:

„Chancen für Value Investing, was aber auch zu einem Teil ein Risiko sein kann, […] sehe ich, weil sich Unternehmen zu einem Zins­satz von fast null Prozent Kredite bei ihren Hausbanken leihen können.

Somit ist genü­gend Kapital in den Unternehmen vorhanden, um Investitionen in Forschung, Entwicklung und den Weg in die Zukunft zu tätigen. Dies wirkt sich kurzfristig auf den Aktienkurs wie auch langfristig auf den Wert des Unternehmens aus und steigert die Festigung des Buchwertes und somit die Chance für den Value Investor.

Zudem pumpt die EZB mit ihrem Anleihekaufprogramm Milliarden an Liquidität in den Markt und sichert somit den Verbleib der Wirtschaft und die Festigung der jeweiligen Aktien. Dieser Effekt beschert Aktionären kurz- bis mittelfristige Kurssprünge.

Hierbei ergibt sich wiederum der Vorteil bei den VI-Investoren, dass sie durch ihre Fundamentalanalyse die Unternehmen, die dadurch nachhal­tig profitieren, herausfiltern können und somit langfristig von Finanz­sprit­zen profitieren“ (vgl. Konrad M., 2020, S. 48, 49.).

Value Investing ist „momentan keine renditestarke Alternative zum Markt […]. Somit tritt der Effekt ein, dass viele ihre bisherigen Anlage­strategien überdenken und ihr Kapital dem Markt zur Verfügung stellen und somit die Kurse anheben. Hierbei haben VI-Investoren die Chance, die jeweili­gen Unternehmen zu erkennen, die auch nachhaltig ein funktionierendes Geschäftsmodell besitzen, und in diese frühzeitig zu investieren, bevor sich der psychologische Effekt der Geldspritzen durchsetzt.

Wie sich durch die aktuelle Coronakrise herausstellt, sind selbst Staaten nicht abgeneigt, selbst in heimische Unternehmen zu investieren und somit einen Anteil in der Aktionärsstruktur zu bilden. Dies führt zu dem Vorteil, dass sich Unternehmen in einer gewissen Art der Sicherheit wägen, da sie den Staat als Aktionär eher auf ihrer Seite haben“ (s. Kon­rad M., 2020, S. 49).

Bei der Fundamentalanalyse, die, wie eingangs skizziert, beim Value Investing notwendig ist, besteht ferner das Risiko, das bereits angeschla­gene Unternehmen noch massiv finanziell unterstützt werden. Aktuell gibt es viele sogenannte Zombieunternehmen.

Markus Krall: „Die aktuelle Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank führt dazu, dass unprofitable Zombieunternehmen nicht mehr vom Markt verschwinden und dadurch auch gesunde Unternehmen gefährden.“

„In dem Zusammenhang wird ein Unternehmen als Zombie klassifiziert, wenn es aufgrund seiner momentanen Umsätze, über einen längeren Zeitraum nicht mehr in der Lage ist, seine Kapitalkosten zu bedienen. Im Buch „Wenn schwarze Schwäne Junge kriegen“ skizziert Volkswirt Mar­kus Krall das Szenario der „Zombifizierung“ der Wirtschaft: „Unter­neh­men, die dem Schumpe­terschen Prozess der schöpferischen Zerstö­rung anheimfallen sollten, weil sie ineffizient, unproduktiv oder zu teuer sind, gehen nicht mehr pleite, weil sie beim Nullzins ihre Kapitalkosten nicht mehr ver­dienen müssten.“

Der Autor und Kalkofen glauben, dass die Bilanz zu betrachten, aus­schlaggebend ist, um solche Unternehmen herauszu­filtern. Sonst kann es schnell dazu führen, dass man den Punkt „Fremd­kapital und deren Zinssätze“ falsch interpretiert und sie in der Analyse nicht hoch genug gewichtet.

Riskant ist demnach, dass solche Zombieun­terneh­men bei Ände­rung des Leitzinses schnell zahlungsunfähig werden und ihre Kredite nicht mehr tilgen können. Für Privatanleger bedeutet das in den meisten Fällen einen Totalverlust ihres Investments.

Des Weiteren erschwert das Anleihekaufprogramm der EZB dem ungeübten Privatinvestor das Analysieren und Herausfinden des inneren Werts in hohem Maße. Denn in der Praxis können die Unternehmen Anlei­hen geschickter in ihren Bilanzen unterbringen und das Auge des Laien Fremdkapital schwerer erkennen.

„Im gleichen Zuge lassen sich auch Kredite durch Unternehmens­anlei­hen, die selbst emittiert werden, ausgleichen und somit die Zahlungs­schuld und das verbundene Risiko auf andere Schuldner umwälzen. Dies erschwert die korrekte Value-Analyse massiv, da nunmehr nicht die Zahlungsfähigkeit und Fremdschulden des Zielunternehmens im Fokus stehen, sondern auch die vieler Schuldner“ (s. Konrad M., 2020, S. 51).

Der Autor und Kalkofen stimmen ferner darin überein, dass die Value Investing-Strategie für den Privatanleger aktuell gut geeignet ist, weil – korrekt angewendet – die Chancen überwiegen. Im Hinblick auf die anhaltende Niedrigzinspolitik sind Anlagealter­nativen derzeit zu unattraktiv. Dennoch: Value Investing ist kein Allheilmittel. Es muss individuell auf das Anlegerprofil abgestimmt werden.

Wer ist der geeignete Anleger?

Weil Value Investing auf einer detaillierten Untersuchung von Assets und Unternehmen basiert, sollte der Privatanleger fundierte Kenntnisse in Analy­setechniken und Kennzahlenberechnung haben. Technische Analy­sen eines Wertpapiers erfordern eine Kombination aus Wissen, Erfahrung und Zeit. Viele Privatinvestoren scheitern bei ihrem Investment eher daran, dass ihre Erfahrung zu gering ist und sie keine große Geduld bei Entscheidun­­gen haben.

Die VI-Strategie ist mit einem großen Aufwand verbun­den. Ein poten­zieller Investor muss sich intensiv mit den einzelnen Unternehmen aus­einandersetzen, deren Geschäftsmodell verstehen und durch auf­wän­dige Analysen den Unternehmenswert berechnen.

Da oft Unternehmen ausgewählt werden, die relativ unbekannt sind, und sich gegen Wettbewerber behaupten müssen, sind Mut und Risikobereit­schaft notwendig, um den eigenen Analysen zu vertrauen und an ihnen festzuhalten. Da Value Investing auch bedeutet, Assets über längere Zeit zu halten, sollte der Anleger Ausdauer, Gelassenheit und Vertrauen in die eigenen Entscheidungen haben.

Entgegen der gängigen Meinung, dass für solche Investments große Geldsummen nötig sind, reichen für den Privatanleger oft nur wenige Hundert Euro, um die Strategie zu erlernen. An­leger sollten allerdings bedenken, dass das einzusetzende Kapital groß genug ist, damit anfallende Ordergebühren und Broker-Provi­sionen potentielle Gewinne nicht zu stark schmälern. Das langfristige Haltens der Assets (geringe Umschichtung des Portfolios) ist in diesem Fall von Vorteil, da sich die Transaktionskosten für Trades auf ein Minimum reduzieren.

Fazit

Value Investing im Sinne von Warren Buffett wird meist nur als Erfolgs­weg und einfache Strategie gesehen. Seine Umsetzung ist jedoch schwierig und erfordert ein nicht unbeträchtliches Know-how für die Materie. Langfristig zu investieren, ist dabei der Schlüssel zum Erfolg. Privatanleger sollten nur mit langfristig frei verfügbarem Kapital investie­ren. Aktuell lässt sich die Frage, ob sich das Marktumfeld fundamental ändert wird, nicht eindeutig beantworten. Frühere Erklärungsansätze gehen insgesamt von einer guten Prognose für Value Investing aus.

Literatur

  1. Asness, C., Moskowitz, T. & Pedersen, L. (2013). Value and momentum everywhere. Journal of Finance, 68, S. 929-985.
  2. Baruch, L., Srivastava, A. (03/2020). Explaining the Recent Failure of Value Investing. Zuletzt abgerufen am 22. Oktober unter: papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=3442539
  3. Buffett, M. & Clark, D. (2008). Das Tao des Warren Buffett, Börsenmedien AG, Kulmbach 2008.
  4. European Central Bank (2011). The Monetary Policy of the ECB, Frankfurt am Main 2011.
  5. Bruner Robert F. 2010: Case Studies in Finance, The McGraw-Hill Companies, New York (USA) 2010.
  6. Bruns (2007): Value vs. Growth Investing – Die bessere Anlagestrategie für Privatanleger, Berlin 2007.
  7. Fama, E., French, K. (1992). The Cross-Section of Expected Stock Returns. Zuletzt abgerufen am 22. Oktober unter; www.ivey.uwo.ca/cmsmedia/3775518/the_cross-section_of_expected_stock_returns.pdf
  8. Fama, E., French, K. (2020). The Value Premium. Zuletzt abgerufen am 22. Oktober unter: papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=3525096
  9. Israel, R., Laursen, K., Richardson, S. (2020). Is (systematic) value investing dead? Zuletzt abgerufen am 22. Oktober unter: papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=3554267
  10. Konrad, M. [2020]. Chancen und Risiken von Value Investing im Hinblick auf die Niedrigzinspolitik, Masterarbeit eingereicht an der Hochschule Fresenius im Fach Corporate Finance & Controlling
  11. Interview mit Yann Kalkofen, Fondsmanager der Real I.S. AG, im Rahmen der Masterarbeit an der Hochschule Fresenius (Konrad, M. 2020).
  12. Meredith, C. (2019). Value Is Dead, Long Live Value. Zuletzt abgerufen am 22. Oktober unter: osam.com/pdfs/research/Value-is-Dead-Long-Live-Value.pdf
  13. Rosenberg, B., Reid, K. & Lanstein, R. (1985). Persuasive evidence of market inefficiency. The Journal of Portfolio Management Spring 1985, 11 (3) 9-16. Zuletzt abgerufen am 22. Oktober unter: doi.org/10.3905/jpm.1985.409007

Autoren
Dr. Eugenia Schmitt MBR ist Business Coach&Consultant/Diplom-Mathe­matikerin und Lehrbeauftragte an der Hochschule für Ange­wandtes Management und der Fresenius-Hochschule in München.
Max Konrad MSc ist Fondsmanager bei der Real I.S. AG in München.

Der Beitrag basiert teilweise auf der Masterarbeit „Chancen und Risiken von Value Investing im Hinblick auf die Niedrigzinspolitik“ an der Hochschule Fresenius in München im Fach Corporate Finance & Controlling.

 

https://www.sparkassenzeitung.de/vertrieb/value-investing-anlagestrategie-mit-guten-erfolgsaussichten

 

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